Nachhaltigkeitspräferenzen, also die Kundenwünsche für nachhaltige Geldanlagen, spielen ab 2022 aus gesetzlichen Gründen eine noch größere Rolle. Die sogenannte MiFiD II regelt die Details. Die Wirtschaftsrechtlerin Dr. Sandra Reich erläutert im Interview, was auf die Anlageberatung ab August 2022 zukommen wird. / Foto: Sandra Reich

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Anlageberatung: Ab 2022 Pflicht, Kunden nach Nachhaltigkeitswünschen zu fragen

Die EU und auch der deutsche Gesetzgeber erlassen in kurzen Abständen neue Regeln zur nachhaltigen Geldanlage. Einer der nächsten Akte: Die Pflicht, Kundinnen und Kunden danach zu fragen, welche Nachhaltigkeitsziele sie bei der Geldanlage haben. ECOreporter hat die Expertin Dr. Sandra Reich um Erläuterung und Einschätzung gebeten.

Reich ist Bankkauffrau und Wirtschaftsrechtlerin. Seit 2018 arbeitet sie als Unternehmensberaterin in München. Davor war sie unter anderem lange Jahre Geschäftsführerin der Börsen Hamburg und Hannover. Aktuell ist sie auch Aufsichtsrätin und Beirätin sowie Dozentin für „Sustainable Finance“ an der Munich Business School.


ECOreporter: Frau Reich, ab Anfang August 2022 soll in der Anlageberatung nach den "Nachhaltigkeitspräferenzen" der Kundinnen und Kunden gefragt werden. Was wird da eigentlich für eine Art von Antwort erwartet?

Sandra Reich: Die Anforderung zu dieser Nachfrage geht auf eine sogenannte delegierte Verordnung, die MiFID II ergänzt, zurück. Diese Verordnung ist im August 2021 in Kraft getreten. Die Nachhaltigkeitspräferenz ist die Entscheidung des Kunden darüber, ob und, wenn ja, inwieweit ein bestimmtes nachhaltiges Finanzinstrument in die Kapitalanlage einbezogen werden soll. Es gibt dafür drei Kategorien:
a)    Finanzinstrument, bei dem ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der Taxonomie-Verordnung angelegt werden soll.
b)    Finanzinstrument, bei dem ein Mindestanteil in nachhaltige Investitionen im Sinne der Offenlegungs-Verordnung angelegt werden soll.
c)    Finanzinstrument, bei dem die wichtigsten nachhaltigen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden. Dabei kann der Kunde bestimmen, welche qualitativen oder quantitativen Elemente nachgewiesen werden sollen.
Keine kurze, klare Antwort, ich weiß. So ganz einfach ist es noch nicht greifbar, wie die Praxis aussehen wird.

Was bedeutet das dann für die Anlageberatung?

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Aus meiner Sicht werden wir einen zusätzlichen Wissensaufbau bei Anlageberatern haben, denn Begriffe der Regulierung wie Taxonomie-Verordnung, nachhaltige Investition oder auch nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren wären grundsätzlich in der Beratung neu. Auch wenn sich ein Berater bzw. eine Beraterin fit bei der Nachhaltigen Geldanlage fühlt, müssen mit der neuen Anforderung doch wieder ergänzende oder andere Aspekte berücksichtigt werden.

Wir glauben ja nicht, dass viele Kundinnen und Kunden ein tiefes Verständnis zum Beispiel für die Inhalte der Taxonomie-Verordnung aufbauen wollen werden.

Kunden werden wohl eher klare Vorstellungen über Investitionen in Geschäftsfelder wie Erneuerbare Energien oder über den Ausschluss von Verstößen gegen Menschenrechte haben. Hier müssen in der Beratung Dialogmuster für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz gefunden werden, die die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden auch abdecken können.

Und was geschieht in der Beratung, wenn klar wird: Die gewünschte Nachhaltigkeit kann von gar keinem Finanzinstrument abgedeckt werden?

Das kann ja durchaus sein. Auch dieser Fall ist in der delegierten Verordnung geregelt: Wenn kein Finanzinstrument den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entspricht und somit für den Kunden nicht geeignet ist, darf keine Empfehlung ausgesprochen werden. Wenn sich allerdings der Kunde dazu entscheidet, seine Kundenpräferenzen anzupassen, so muss diese Kundenentscheidung einschließlich der Begründung von der Wertpapierfirma, die die Anlageberatung anbietet, aufgezeichnet werden.

Was geschieht, wenn Kunden später feststellen: Die gewünschte Nachhaltigkeit findet sich gar nicht im Produkt wieder? Dürfen sie dann umtauschen?

Spannende Frage. Ich hoffe, dass wir in solche Diskussionen gar nicht erst kommen werden. Kunden und Berater sollten ein ehrliches Gespräch über die ökologischen und sozialen Ziele sowie über die Erwartungen an ein Finanzprodukt führen. Aber sowohl Kunden als auch Berater sollten eine Wissensbasis mitbringen, um sich mit den vielschichtigen Angeboten an nachhaltigen Finanzprodukten auseinanderzusetzen. Nur so kann auf Augenhöhe über Begriffe aufgeklärt werden, die in Produktinformationen enthalten sind, wie beispielsweise Impact, Klimaneutralität oder Dekarbonisierungspfad.

Es könnte natürlich auch sein, dass Kunden sagen: Nachhaltigkeit interessiert mich nicht, Hauptsache die Rendite stimmt. Dann kann ich ja immer noch einen Teil des Gewinns spenden. Ist das für eine Bank der einfachere Fall?

Es geht in erster Linie um die Wünsche des Kunden und was ihm in Bezug auf Rendite, Risiko, Langfristigkeit oder auch thematische Ausrichtung wichtig ist. Selbstverständlich hat jeder Anleger seine ganz eigene Vorstellung von Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage und wie sie gelebt werden kann. Es wäre allerdings zu diskutieren, ob langfristig die Rendite eines Finanzinstruments auf einem hohen Niveau bleiben wird, wenn Aspekte der Nachhaltigkeit ausgeblendet werden. Es zeichnet sich aus meiner Sicht sehr deutlich ab, dass z.B. die Berücksichtigung von Klima- und Umweltrisiken auch ins „klassische“ Risikomanagement gehört. Nachhaltigkeit trägt somit mittel- bis langfristig zur Renditesicherung eines Finanzproduktes bei.

Warum die Befragungspflicht zu Nachhaltigkeitspräferenzen möglicherweise erst ab 2023 gelten wird, können Sie hier lesen.

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